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hobbytipp 330
Lust auf Spielen neu entdeckt
Spielen fürs Leben
Foto tanzende Kinder: Rechte: dpa
Foto tanzende Kinder: Rechte: dpa
Wie entscheidend Spielen für unsere Entwicklung und im Alltag ist, wird deutlich, wenn man sich Gesellschaften anschaut, in denen gar nicht oder zu wenig gespielt wird. Auf weltweit 250 Millionen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren trifft das leider zu. Sie müssen von klein an unter schwierigsten, zum Teil gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten. Zum Spielen bleibt da keine Zeit. Die Folgen können dramatisch sein: Die Kinder haben sowohl psychische als auch körperliche Defizite und häufig Probleme im sozialen Umgang mit Gleichaltrigen.

Die United Nations haben sich deshalb für diese Kinder stark gemacht und 1989 die UN- Kinderrechtskonvention verabschiedet. Darin wird das Recht auf "Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße Erholung" sogar festgeschrieben - doch leider fehlt es auf politischer Ebene nach wie vor an einer starken Lobby. Spielen wird offensichtlich noch immer als Luxus angesehen und nicht - wie Experten heute fordern - als Grundbedürfnis.
Spiel und Bewegung
Foto kletterndes Kind: Rechte: WDR
Foto kletterndes Kind: Rechte: WDR
Kaum zu glauben:
Kindern fehlt es
heute an ausreichender
Bewegung.
Aber selbst bei uns, wo die Kinder eigentlich genügend Zeit zum Spielen haben sollten, leiden sie immer häufiger unter psychischen und auch motorischen Entwicklungsauffälligkeiten. Nach Schätzungen des Berufsverbandes der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind heute rund eine Million Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung auffällig oder gar psychisch krank. 20% der Kinder haben heute Schwierigkeiten in ihrer Körperwahrnehmung, im Gleichgewicht oder in der Bewegungskoordination. Mittlerweile sind wir schon so weit gekommen, dass sich laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ein Viertel aller Kinder, die nach der Geburt als risikofrei eingestuft worden sind, bis zum 9. Lebensjahr dennoch in einer Therapie befinden.
Foto balancierendes Kind: Rechte: WDR
Foto balancierendes Kind: Rechte: WDR
Selbst einfachste
Balancierübungen fallen
heute vielen Kindern
schwer.
Die Ursachen für diese Entwicklungen sind äußerst vielfältig. Veränderungen der kindlichen Lebensumwelt haben dazu geführt, dass Kinder kaum mehr die Möglichkeit haben, aktiv und schöpferisch in ihrem Umfeld wirken zu können. Vielerorts behindert sie die Wohn- und Verkehrssituation in ihrer motorischen und körperlichen Entwicklung. Kinder finden heute zum Beispiel in einer Stadt kaum mehr ausreichend Möglichkeiten, sich selbständig zu betätigen, auf Mauern zu balancieren, über Treppen zu springen oder auf Bordsteinkanten ihr Gleichgewicht zu erproben. Eine Straßenspielkultur stirbt mehr und mehr aus. Weil diese alltäglichen Bewegungsgelegenheiten zurückgehen, reduzieren sich auch die Chancen für Kinder, ihre Sinneswahrnehmung, das Gleichgewicht und die motorischen Fähigkeiten zu trainieren. Im krassen Gegensatz dazu ist die Kinderwelt heute von einer Vielzahl elektronischer Medien bestimmt. Beim stundenlangen Fernsehen oder Computerspielen werden lediglich Auge und Ohr angesprochen - das, was sie sehen und hören, können sie nicht tasten, riechen und mit ihrem Körper erfassen.

So erfahren die Kinder die Welt heute vorwiegend aus zweiter Hand, statt sie durch eigenes Tun und Ausprobieren nach und nach zu erschließen. Dieses ungleiche Verhältnis zwischen Reizüberflutung einerseits und den mangelnden körperlichen Verarbeitungs- und Bewegungsmöglichkeiten andererseits führt dann in der Folge zu den bereits angesprochenen Wahrnehmungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten.
Auswege
Kinder in Kindergarten: Rechte: WDR
Kinder in Kindergarten: Rechte: WDR
In Kindertagesstätten
sollen Kinder aus-
reichend Möglichkeiten
zum Toben haben.


Diese Missstände im Lebensalltag der Kinder stellen Anforderungen an alle, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zu tun haben. Zunächst einmal sind da natürlich die Eltern gefragt. Es ist gar nicht so schwer, körperliche und sinnliche Spiele in den Kinder-Alltag zu integrieren. Das kann beim Gang in die Stadt beginnen, indem man beispielsweise den Kindern das Balancieren auf Mauern oder einen Sprung von Treppen ermöglicht. Aber auch zu Hause gibt es zahlreiche Möglichkeiten, während des Spielens alle Sinne anzusprechen. Kindern sollten dabei generell mehr Freiraum für Bewegungsspiele haben.

Neben den Eltern haben natürlich Kindertagesstätten die große Aufgabe, verlorengegangene Spiel- und Bewegungsräume auch in ihrem geschützten Umfeld wieder einzugliedern. Das beginnt bei der Raumgestaltung und endet bei den Bewegungsangeboten, die für Kinder eine ganz wichtige Herausforderung darstellen, sich permanent mit ihrem Körper erproben zu können. Wenn diese Möglichkeiten des körperlichen Erprobens wieder zunehmen, dann können Kinder auch wieder häufiger ein positives Verhältnis zu ihrem eigenen Körper entwickeln und über diese "neue Körperlichkeit" zu neuem Selbstvertrauen finden.
 
hobbytipp
Vorwort
Wie lange spielt der Mensch?
Der Sinn des Spiels
Spielen fürs Leben
Alles nur noch Zappelphilippe?
Die Frage des Spielzeugs
Mit allen Sinnen spielen
Impressum