hobbytipp 345  hobbythek-show - Frühling  | Eine Kamera lernt fliegen: Luftaufnahmen selbstgemacht |  | |
Fotografie und Modellfliegerei sind ein angenehmer und kreativer Zeitvertreib. Im dreißigsten Jahr hobbythek'scher Zeitrechnung geben wir uns damit aber nicht mehr zufrieden.
So haben wir nach einer Idee gesucht, die sowohl beide Themenbereiche umfasst und zugleich den Spaßfaktor mit dem Nützlichen ideal verbindet. Heraus gekommen ist die faszinierende Welt der Drachen-Luftfotografie. |
  Es war der Franzose Arthur Batut (1846-1918), der als erster eine Fotokamera mit einem Drachen in die Lüfte hob. Zu seinen Ehren hat man im südfranzösischen Labrugui�re ein Museum eingerichtet.
Der Drachen wurde aus Holzleisten und einer Papierbespannung hergestellt. Beim Zeitauslöser für die Kamera war man noch auf eine Glimmschnur angewiesen.
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 |  |  |  |  |  | Drachen-Luftbild der südfranzösischen Stadt Labrugui�re aus dem Jahre 1903 |  |
Bis heute hat die Drachen-Luftfotografie (Kite Aerial Photography) nichts an Faszination verloren. Weltweit gibt es viele Interessierte, die dieses Hobby bis zur Perfektion ausüben. Da werden kostspielige Kameraausrüstungen und High-Tech-Drachen eingesetzt. Über Servos und Funkfernsteuerung kann die Ausrichtung der Kamera gezielt gesteuert werden.
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 |  |  |  |  |  | Drachen-Luftfotografie für jedermann: Blick über Bonn |  |
Für den Einstieg sind solche Lösungen natürlich nicht geeignet. In Zusammenarbeit mit professionellen "KAPern" haben wir jedoch eine durchaus sinnvolle Alternative gefunden. Für ca. 25 Euro werden Perspektiven möglich, die sich üblicherweise nur Fotografen in Hubschraubern oder Flugzeugen erschließen.
  Bau der Kamerahalterung  Zur Drachen-Luftfotografie ist grundsätzlich jede Fotokamera geeignet. So ist z.B. ein Delta-Drachen bei ausreichenden Windverhältnissen in der Lage mühelos mehrere Kilos zu tragen. Für den Anfang empfehlen wir jedoch auf die handlichen und vergleichsweise leichten (digitalen) Sucherkameras zurück zu greifen.
Da es wenig Sinn macht eine universelle Bauanleitung für jeden Kameratyp anzugeben, beziehen wir uns im folgenden auf eine preiswerte Einwegkamera (s. Bezugsquellen). Die Bildqualität dieser Leichtgewichte (70 Gramm) ist erstaunlich gut. Außerdem liegt die Verschlusszeit bei immerhin 1/125 Sekunde.
Ein erfahrener Bastler sollte jedoch in der Lage sein, unsere Bauanleitung auf einen anderen Kameratyp abzustimmen.
  Herzstück der Kamerahalterung (Rig) ist ein sog. mechanischer Zeitschalter aus dem Modellbaubedarf. Nach Ablauf einer vorgewählten Zeit (max. 8 Minuten) löst dieser einen vorgespannten Schwenkarm aus, der wiederum auf den Auslöseknopf der Kamera schlägt. Dieser Mechanismus gibt der Kamera Zeit sich �behutsam' an Ort und Stelle in den Himmel zu heben. Die integrierten Selbstauslöser sind im übrigen ungeeignet, da sie im Schnitt bereits nach 10 bis 30 Sekunden auslösen.
Damit Verwackelungs-Unschärfen aufgrund der turbulenten Drachenbewegungen vermieden werden, bedienen wir uns der sog. Seilpendelaufhängung (Picavet). Die Kamerahalterung ist dabei nicht fest mit dem Drachen verbunden. Sie ist vielmehr über eine zusätzliche Hilfsschnur gleitend aufgehangen. Durch diese Entkoppelung werden Schaukelbewegungen weitgehend reduziert. Außerdem kann sich die Kamera immer horizontal ausrichten.
Dank der Verwendung von Balsaholz wiegt unsere Kamerahalterung inkl. Kamera lediglich 200 Gramm.
 | Material |  |  |  | Zeitschalter
|  |  |  | Balsaholz 6 mm stark
|  |  |  | Balsaholz 15 mm stark
|  |  |  | Balsaholzleiste Querschnitt 10 mm X 10 mm
|  |  |  | Balsaholzleiste Querschnitt 6 mm X 25 mm
|  |  |  | Alu-Flachstange Querschnitt 2 mm X 15 mm
|  |  |  | 4 Schraubhaken (gebogen) 20 mm
|  |  |  | 4 Ringschrauben 16 X 6 mm |
 |  |  | 3 Flügelmuttern M4
|  |  |  | 2 Muttern M3
|  |  |  | 3 Unterlegscheiben 4,3 X 12 mm
|  |  |  | 3 Gewindeschrauben M4 X 25 mm
|  |  |  | 1 Gewindeschraube M3 X 25 mm
|  |  |  | Nagel 1 X 45 mm
|  |  |  | 2 Schlüsselringe 14 mm
|  |  |  | 2 Gefrierbeutel-Verschlussklemmen (z.B. "Toppits") |
 |  |  | Büroklammer
|  |  |  | Haushaltsgummis
|  |  |  | Drachenschnur |
  Die sieben Balsaholzteile werden mit Hilfe eines Teppichmessers gemäß Grafik ausgeschnitten. Ein Handbohrer drillt die Bohrungen.
Boden, Deckel und die beiden Seitenteile werden, wie im Bild gezeigt, zusammen geklebt. Dazu verwendet man einen Modellbaukleber (z.B. Uhu-hart). Damit die Kamera nicht heraus purzelt, erhält der Boden eine zusätzliche Umrandung aus zwei Leisten. Dazu wird die Kamera provisorisch gerade und mittig auf den Boden gesetzt.
Der Auslöseknopf der Kamera wird vom Kopf der Gewindeschraube (M3 X 25 mm) betätigt. Dazu wird auf die Schraube eine Mutter M3 gedreht und von unten durch den Schwenkarm geführt. Eine weitere Mutter kontert die Schraube von oben.
Die Büroklammer wird entsprechend Grafik gebogen und unten in den Schwenkarm gesteckt. Dieser wird mit dem anderen Ende innerhalb der Lücke der rechten Seitenwand befestigt. Als Drehzapfen dient dabei der Nagel, der zusätzlich mit einem Tropfen Klebstoff fixiert wird.
Der Zeitschalter wird gemäß Abbildung in die Aussparung des linken Seitenteils geklebt und geschraubt. Dabei nicht die Mechanik verkleben !
Der Alubügel wird gemäß Grafik gebogen. Ein Metallbohrer dient zur Herstellung der Löcher. Damit die Kamera horizontal ausgerichtet ist, liegt die obere Bohrung etwas dezentral über dem Schwerpunkt der Kamerahalterung.
Zwei M4-Schrauben werden mit Unterlegscheiben versehen und durch die Innenseite der Seitenteile durch den Alubügel geführt. Außen werden sie durch Flügelmuttern gesichert.
Die Seilpendelaufhängung wird aus den beiden Flachleisten gefertigt. Diese werden kreuzförmig miteinander verklebt. An den vier Enden werden die Ringschrauben eingedreht. Die M4-Schraube wird von unten durch die obere Bügelbohrung und durch die mittlere Bohrung der Seilpendelaufhängung geführt. Mit Unterlegscheibe und Flügelmutter sichern.
Der lange Arm des Zeitschalters wird auf die Aufziehtrommel gesetzt und das Ende der Büroklammer in den kurzen Arm gehängt.
Die Kamera wird mit einem Gummiband in der Halterung fixiert. Dazu wird an der Vorder- und Hinterkante der Bodenplatte jeweils ein Schraubhaken derart eingedreht, dass das Gummi weder Objektiv noch Bedienelemente verdeckt.
Zusätzlich wird unterhalb des Auslöseknopfs vorne und hinten je ein Schraubhaken eingedreht. Über das obere Gewindestück des Schwenkarms werden 2 Gummis gehängt und jeweils vorne und hinten fixiert. Möglicherweise erhöhen weitere Gummis die Kraft auf den Auslöser.
Die Position der Kamera muss so korrigiert werden, dass der Auslöseknopf vom Schraubenkopf exakt getroffen wird. Im �scharfgemachten' Zustand sollte der Schraubenkopf soweit herunter gedreht sein, dass der Auslöser gerade nicht gedrückt wird.
  Abschließend wird die Halteschnur durch die Seilpendelaufhängung gefädelt. Dazu wird zunächst jeweils ein Schlüsselring in die Bohrung einer Verschlussklemme gedreht. Beide Klemmen werden nun mit Klebeband auf dem Fußboden im Abstand von zwei Metern fixiert. Dazwischen steht die Kamerahalterung.
Das Ende einer etwa 8,5 Meter langen Drachenschnur wird am Ring A fest verknotet. Gemäß Abbildung wird nun die Schnur der Reihe nach durch folgende Ringschrauben und Ringe geführt (nicht verknotet !) : A - 1 � B � 2 � A � 3 � B � 4 � A. Das lose Ende wird wieder mit Ring A verknotet und überstehende Schnur abgeschnitten. Beim Transport ist darauf zu achten, dass die Fäden nicht verhuddeln.
  Ready for Take-Off � es kann losgehen   |  |  |  |  | 
 |  |  |  |  |  | Ein großer Delta-Drachen ist praktisch das ganze Jahr über einsetzbar, da er auch bei wenig Wind problemlos abhebt
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Das zweitwichtigste der Drachen-Luftfotografie ist der Drachen. Das Angebot ist riesig und die Typen tragen solche phantasievollen Namen wie z.B. Rokkaku, Dopero oder Delta. Für unsere Zwecke ist entscheidend, dass der Drachen nur von einer Schnur gezogen wird (Einleiner-Drachen). Lenkdrachen mit zwei Schnüren sind ungeeignet.
Wir haben mit dem Delta-Drachen die besten Erfahrungen gemacht. Unser Modell (s. Bezugsquellen) hatte eine Spannweite von immerhin 265 Zentimetern und stand ruhig und steil am Himmel.
Übrigens, Drachensteigen und erst recht Drachen-Luftfotografie funktionieren am besten zu zweit!
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 |  |  |  |  |  | Wie von Geisterhand wird die Kamera am Himmel ausgelöst
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Zunächst muss die Trommel des Zeitschalters �aufgezogen' und der Arm, je nach gewünschter Laufzeit, in die entsprechende Nut gelegt werden. Bei z.B. 3 Minuten, in die dritte Nut von rechts. Die Kamera muss betriebsbereit sein.
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 |  |  |  |  |  | Der Abstand der Klem- men zueinander sollte ca. 150 Zentimeter betragen
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Nachdem der Drachen auf etwa 20 bis 30 Meter gestiegen ist, wird die Kamerahalterung mittels der beiden Verschlussklemmen einfach an die Drachenschnur fest geklipst. Der Abstand der Klemmen zueinander sollte ca. 150 Zentimeter betragen. Mit Hilfe der drei Flügelmuttern werden Neigung und Himmelsrichtung der Kamera eingerichtet. Schließlich wird der Zeitschalter in Gang gesetzt und Leine gegeben.
  Nach Ablauf des Zeitschalters wird der Drachen wieder eingeholt und das Spiel beginnt von vorne. Wer eine Digitalkamera mit Serienmodus besitzt, sollte diesen Komfort nutzen. Ein Foto gelingt dann immer !
 | Noch ein paar Tipps: |  |  |  | Drachen dürfen in Deutschland bis maximal 100 Meter aufsteigen. Wer höher hinaus will benötigt eine Genehmigung vom örtlichen Luftfahrtamt.
|  |  |  | Drachen nicht in der Nähe von Straßen, Flughäfen oder Stromleitungen steigen lassen
|  |  |  | Bei aufziehendem Gewitter muss das Drachensteigen gänzlich eingestellt werden. |
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